Klarnamenpflicht im Internet

Wie die Klarnamenpflicht auf Facebook und im Netz gegen Hassrede helfen soll

Fachlich geprüft von: Rechtsanwalt Sören Siebert Rechtsanwalt Sören Siebert
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Das Wichtigste in Kürze

  • Es gibt im Internet keine generelle Klarnamenpflicht in Deutschland.
  • Nach einem Urteil des BGH von 2022 dürfen Nutzer, die sich vor Mai 2018 angemeldet haben, unter Pseudonym auf Facebook posten. Facebook hält für Neuanmeldungen nach diesem Zeitpunkt an seiner eigenen Klarnamenpflicht gemäß Facebook AGB fest.
  • Inwiefern Neuanmeldungen nach Einführung der DSGVO im Jahr 2018 generell von einer Klarnamenpflicht betroffen sind, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Worum geht's?

Pseudonyme bieten Nutzern im Internet vor allem Anonymität. In Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit eine gar nicht so schlechte Sache. Aber leider sorgt Anonymität auch vermehrt für Hass und Hetze im Netz. Können Hasskommentare mit einer Klarnamenpflicht eingedämmt werden? Gibt es bereits eine Pflicht, den Klarnamen im Internet zu verwenden? Wie die deutschen Gerichte das sehen und welche Social-Media-Plattform bereits auf Klarnamen bei der Neuanmeldung setzt, lesen Sie in unserem Artikel.

 

1. Gibt es einen Klarnamenzwang in sozialen Netzwerken oder im Internet?

Bei der Klarnamenpflicht - auch Klarnamenzwang genannt - handelt es sich um eine Pflicht, die Internetnutzer dazu zwingt, in sozialen Netzwerken oder bei anderen Diensteanbietern ihren Klarnamen - also ihren Vor- und Nachnamen - und kein Pseudonym zu verwenden. Besonders das Social-Media-Urgestein Facebook pocht seit seiner Gründung auf die Klarnamenpflicht. Dementsprechend gibt es auch eine AGB-Klausel, die besagt, dass Facebooknutzer bei der Anmeldung ihren Klarnamen verwenden müssen.

Spätestens das aktuelle Urteil des BGH von 2022 entschied teilweise gegen die Klarnamenpflicht, zumindest für Anmeldungen vor Mai 2018. So kann Facebook Neuanmeldungen, die mit einem Pseudonym getätigt werden, rigoros ablehnen, bis eine höchstrichterliche Entscheidung getroffen wird. Für Nutzer bedeutet das: Anonym bei Facebook anmelden ist Geschichte.

ACHTUNG!

Nutzer sind nicht von einer generellen Klarnamenpflicht betroffen. Obwohl sie den Klarnamen bei Vertragsschluss mit Facebook (also bei der Anmeldung) angeben müssen, spricht rechtlich nichts dagegen, dass sie bei Aktivitäten auf der Plattform ein Pseudonym verwenden dürfen.

2. Pseudonymität vs. Klarnamenpflicht: Ist der rechtliche Hintergrund eine juristische Zwickmühle?

Mehrfach wurde die Klarnamenpflicht bereits vor Gericht verhandelt - mit keinem eindeutigen Ergebnis. Das kann zum Teil auch am TDDDG (ehemals TTDSG) liegen. Denn das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzbesagt in § 19 Abs. 2:

Anbieter von digitalen Diensten haben die Nutzung von digitalen Diensten und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer von digitalen Diensten ist über diese Möglichkeit zu informieren.

Bis zum 1. Dezember 2021 war dieses Gesetz noch in § 13 Digitale-Dienste-Gesetz (ehemals Telemediengesetz/TMG) verankert. Mit der Überführung in das (TDDDG) soll aber weiterhin eine Pseudonymität im Internet von sozialen Netzwerken gewährleistet werden. Facebook besteht allerdings darauf, dass neue User sich ausschließlich mit ihrem Klarnamen anmelden dürfen. Aber ist das nach § 19 TDDDG überhaupt rechtens?

Nein, urteilte das LG Berlin am 16. Januar 2018 (Az. 16 O 341/15), da dies gegen das deutsche Datenschutzrecht verstößt. Facebook berief sich bei der Nutzung von Klarnamen vor allem auf die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung gemäß DSGVO. Das Urteil vom LG Berlin wurde allerdings im Berufungsverfahren durch das Kammergericht im Dezember 2019 (Az. 5 U 9/18) bestätigt.

Damit war die Debatte um die Klarnamenpflicht aber noch nicht abgeschlossen. Denn im Dezember 2020 entschied das OLG München in einem Urteil (Az. 18 U 2822/19), dass Nutzer gemäß DSGVO kein Recht auf ein Pseudonym auf sozialen Plattformen im Internet haben und entschied damit für die Klarnamenpflicht.

Das OLG München argumentierte damit, dass das Verbot eines Klarnamenzwangs (damals noch nach § 13 TMG) im Konflikt mit den Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht. Denn die DSGVO sieht kein Recht auf ein Pseudonym für Nutzer des Internets vor. Demnach sollte die Klarnamenpflicht je nach der Zumutbarkeit der Diensteanbieter entschieden werden.

AKTUELLE RECHTSLAGE

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Januar 2022 (Az. III ZR 3/21) entschieden, dass die vorangegangenen Urteile aufgehoben werden, da die AGB-Klausel von Facebook unwirksam sei. Nutzer, die sich vor Mai 2018 bei Facebook angemeldet haben, dürfen also unter Pseudonymen posten.

Für den BGH war nur die Rechtslage zum Zeitpunkt der Einbeziehung der Facebook-AGB relevant. Dies war vor Einführung der DSGVO. Ob es in Zukunft ein Urteil geben wird, welches sich mit der aktuellen Rechtslage befasst, ist unklar.

3. Soziale Netzwerke und Pseudonyme: Vor- und Nachteile

Verfechter der Klarnamenpflicht sehen vor allem die Eindämmung von Hass und Hetze als großen Vorteil an. So wäre die Hemmschwelle größer, ein bestimmtes Opfer zu mobben oder generell Hassrede zu verbreiten. Auf dieses Thema gehen wir im nächsten Kapitel nochmal tiefer ein.

Außerdem könnten Behörden Täter leichter und schneller stellen, wenn Nutzer ihren Klarnamen bei der Anmeldung auf einem Social Media Kanal angeben müssen. Hier ist allerdings nicht nur die Klarnamenpflicht eine denkbare Möglichkeit, sondern auch die Identifizierungspflicht.

Ähnlich wie bereits in Österreich praktiziert, müssten Nutzer Ihren vollständigen Namen, Geburtsdatum und ggf. Anschrift bei der Plattformanmeldung angeben, könnten dann aber unter einem Pseudonym weiterhin anonym unterwegs sein. Aber auch diese Idee stößt auf Gegenwind. Einige Politiker sehen die informationelle Selbstbestimmung und die freie Meinungsäußerung der Nutzer gefährdet.

INTERESSANT

Auch die sogenannte Login-Falle könnte für eine schnellere Täterermittlung sorgen. Plattformen erfassen in diesem Zusammenhang die IP-Adresse des Nutzers und können diese an die zuständigen Behörden weiterleiten. Großes Problem hierbei: Verwendet der Nutzer einen VPN-Client, kann sein Name und seine Anschrift unter Umständen nicht ermittelt werden.

Durch eine Klarnamenpflicht würden sich allerdings auch sämtliche Nachteile ergeben. Einige davon haben wir Ihnen im Folgenden aufgelistet:

  • Gefahr von Datenmissbrauch und Datendiebstahl (u. a. Identitätsklau)
  • Whistleblower und Personen mit einer kontroversen Meinung sind leichter angreifbar
  • Meinungsfreiheit wird gefährdet - möglich sind negative Auswirkungen auf Job und Karriere
  • Schutz der Anonymität fehlt
  • Personenbezogene Daten sind im Internet leicht einsehbar (fehlender Datenschutz)

4. Anonymität = mehr Hass und Hetze im Netz?

Bereits mit dem Urteil im Dezember 2020 befürwortete das OLG München die Klarnamenpflicht im Hinblick auf weniger Hass und Hetze im Internet. Die gleichen Argumente legte auch Facebook in dieser Diskussion vor. Der Meta-Konzern ist der Meinung, dass eine Klarnamenpflicht dazu führt, dass Nutzer mehr Verantwortung für ihre Äußerungen und Handlungen im WWW übernehmen würden.

Im Klartext: Die Klarnamenpflicht erhöht die Hemmschwelle für Hassrede und Mobbing im Netz.

Aber ist das wirklich so? Anonymität im Internet kann laut einem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vor allem die sensiblen Daten von Nutzern schützen. Sie würden sich durch ein Pseudonym eher trauen, ihre Meinung kundzutun als wenn sie ihren Klarnamen angeben müssen. Gleiches gilt für Menschen, die ihre Identität in Selbsthilfeforen (anonyme Alkoholiker, etc.) hinter einem Pseudonym verstecken, um nicht identifiziert werden zu können.

Im Rahmen dieser Diskussion lohnt sich ein Blick nach Südkorea. Das Land führte 2007 eine Klarnamenpflicht ein. Nutzer im Internet mussten ihre korrekten Daten angeben, um auf Beiträge reagieren zu können. Bereits kurze Zeit nach der Einführung der Identifikationspflicht wurde der Ton im Netz wieder rauer. Keine Spur von weniger Hassrede und Mobbing. 2012 wurde das Gesetz für verfassungswidrig erklärt.

WUSSTEN SIE’S SCHON?

Nachdem Südkorea die Klarnamenpflicht wieder abgeschafft hat, erbeuteten Hacker die nun veröffentlichten Daten von 35 Millionen Nutzern. Dadurch wurden zahlreiche falsche Identitäten verkauft. Die Klarnamenpflicht birgt dementsprechend auch Risiken.

Auch die USA und Österreich sind gegen eine Klarnamenpflicht. In den USA entschied der Supreme Court für das Recht auf Anonymität und Pseudonyme eines jeden Bürgers. In Österreich gibt es allerdings ein digitales Vermummungsverbot. Das heißt: Pseudonyme sind erlaubt, bei widerrechtlichem Verhalten kann eine Einsicht auf die Nutzerdaten verlangt werden. Dementsprechend müssen Plattformen die vollständigen Namen der Nutzer bekannt sein.

5. Fazit zur Klarnamenpflicht

Nutzer, die sich jetzt (oder seit Mai 2018) neu bei Facebook anmelden, müssen der Plattform Ihren Klarnamen preisgeben. Kommentieren und posten dürfen Nutzer dann allerdings auch unter einem Pseudonym. Nutzer, die schon vor der Einführung der DSGVO beim Meta-Konzern angemeldet waren, müssen ihren Klarnamen nicht nachtragen und dürfen weiterhin anonym unterwegs sein.

Plattformbetreiber können zunächst aufatmen: Aktuell ist weder eine generelle Klarnamenpflicht noch eine Identifizierungspflicht beschlossen. Sie müssen dementsprechend noch keine Anmeldeprozesse anpassen oder dergleichen. Wir halten Sie diesbezüglich weiter auf dem Laufenden!

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Caroline Schmidt
Caroline Schmidt, B.A.
SEO/SEA zertifizierte Online-Redakteurin

Caroline Schmidt hat Medienbildung studiert und ein einjähriges Volontariat in der Online-Redaktion eines Berliner Legal-Tech-Unternehmens absolviert. Sie ist seit über vier Jahren als Legal Writerin tätig und hat in verschiedenen Rechtsbereichen, darunter dem Arbeitsrecht, Schreiberfahrungen gesammelt. Seit 2022 ist sie als Legal Writerin und SEO-Redakteurin Teil des eRecht24-Redaktionsteams.

Rechtsanwalt Sören Siebert
Sören Siebert
Rechtsanwalt und Gründer von eRecht24

Rechtsanwalt Sören Siebert ist Gründer von eRecht24 und Inhaber der Kanzlei Siebert Lexow. Mit 20 Jahren Erfahrung im Internetrecht, Datenschutz und ECommerce sowie mit mehr als 10.000 veröffentlichten Beiträgen und Artikeln weist Rechtsanwalt Sören Siebert nicht nur hervorragende Fach-Expertise vor, sondern hat auch das richtige Gespür für seine Leser, Mandanten, Kunden und Partner, wenn es um rechtssichere Lösungen im Online-Marketing und B2B / B2C Dienstleistungen sowie Online-Shops geht. Neben den zahlreichen Beiträgen auf eRecht24.de hat Sören Siebert u.a. auch diverse Ebooks und Ratgeber zum Thema Internetrecht publiziert und weiß ganz genau, worauf es Unternehmern, Agenturen und Webdesignern im täglichen Business mit Kunden ankommt: Komplexe rechtliche Vorgaben leicht verständlich und mit praktischer Handlungsanleitung für rechtssichere Webseiten umsetzen.

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