Fristlose Kündigung bei Diebstahl

Können Sie als Arbeitgeber Ihrem Arbeitnehmer wegen Diebstahls fristlos kündigen?

Fachlich geprüft von: Rechtsanwalt Sören Siebert Rechtsanwalt Sören Siebert
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Diebstahl rechtfertigt laut Arbeitsrecht eine Kündigung - auch ohne vorherige Abmahnung.
  • Arbeitgeber müssen dem Arbeitnehmer die fristlose Kündigung allerdings innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden des Diebstahls zustellen.
  • Auch bei einem bloßen Verdacht kann eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Arbeitgeber sollten im Falle einer Videoüberwachung die datenschutzrechtlichen Risiken beachten.

Worum geht's?

Diebstahl am Arbeitsplatz ist kein Kavaliersdelikt. Arbeitgeber können ihren Mitarbeitern bei einem solchen Verstoß fristlos kündigen. Dabei ist es irrelevant, ob sich der Langfinger nur einen Stift oder einen hochwertigen Monitor zu eigen gemacht hat. Was Arbeitgeber bei einer fristlosen Kündigung und Diebstahl am Arbeitsplatz beachten müssen und welche sonstigen rechtlichen Konsequenzen drohen, lesen Sie in unserem Artikel.

 

1. Fristlose Kündigung wegen Diebstahl: Ist das laut Arbeitsrecht möglich?

Ein Diebstahl kann das Vertrauensverhältnis vom Arbeitgeber in den Arbeitnehmer nachhaltig schädigen. Daher müssen Sie als Arbeitgeber vor der fristlosen Kündigung keine Abmahnung aussprechen. Ein Diebstahl kann sofort zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers führen. Kündigungsfristen müssen Sie dabei nicht einhalten.

Für eine fristlose Kündigung muss laut § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein wichtiger Grund vorliegen:

“Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.”

ACHTUNG

Im Falle einer fristlosen Kündigung müssen Sie dem Arbeitnehmer den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Verlangen schriftlich mitteilen.

Auch der Diebstahl von geringwertigen Sachen, wie beispielsweise einem Tacker oder Stiften im Cent-Bereich, kann eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers rechtfertigen. Der Wert des gestohlenen Gegenstands hängt nicht davon ab, ob Sie eine außerordentliche Kündigung aussprechen können oder nicht. Denn das Vertrauen kann auch im Falle eines kleinen Diebstahls verletzt werden.

Spätestens zwei Wochen nach Kenntniserlangung des Diebstahls müssen Sie dem Arbeitnehmer die fristlose Kündigung zugestellt haben. Bei einem verspäteten Zugang ist die fristlose Kündigung nicht gültig und darf aus den gleichen Gründen für diesen expliziten Vorfall nicht erneut ausgesprochen werden. Sie können das Arbeitsverhältnis dann nur fristgemäß beenden.

Beweissicherung: Videoüberwachung am Arbeitsplatz zeichnet Diebstahl auf

Grundsätzlich müssen Sie als Arbeitnehmer den Diebstahl oder zumindest den Verdacht auf Diebstahl am Arbeitsplatz begründet darlegen können. Der Gedanke, ein Videoüberwachungssystem zu installieren, scheint naheliegend. Aber hier ist Obacht geboten.

Wichtig ist, dass Arbeitgeber die Privatsphäre ihrer Arbeitnehmer nicht verletzen. Denken Sie dabei unbedingt an die gesetzlichen Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Die Überwachung Ihrer Mitarbeiter bedarf daher einer Einwilligung durch Ihre Arbeitnehmer. Diese können sie jederzeit widerrufen.

Eine flächendeckende, vollständige und dauerhafte Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist unzulässig.

Videomitschnitte können vor den Arbeitsgerichten als Beweismittel gegen Ihren Arbeitnehmer verwendet werden. Nach einer aktuellen Entscheidung des BAG (Urteil vom 29.06.2023, Az. 2 AZR 296/22) können sogar Aufnahmen als Beweis verwendet werden, die gegen Vorgaben der DSGVO verstoßen. Trotzdem ist Vorsicht geboten, denn unzulässige Videoaufnahmen verstoßen weiterhin gegen geltendes Recht.

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LESEEMPFEHLUNG

Mehr zum Thema Mitarbeiterüberwachung lesen Sie in unserem Artikel “Arbeitnehmer tracken: Wo sind die Grenzen der Überwachung?”.

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2. Verdacht auf Diebstahl am Arbeitsplatz: Was tun?

Wenn Sie nicht gerade selbst den Diebstahl beobachtet haben oder eine Videokamera das Geschehen aufgezeichnet hat, kann die Beweislage für Sie sehr dünn sein. Aber reicht auch ein Verdacht auf einen Diebstahl aus, um eine fristlose Kündigung auszusprechen?

Ja. Wichtig ist hierbei, dass Sie den Diebstahl dann durch Tatsachen begründen müssen oder sich so aus den Umständen ergeben, dass nur ein bestimmter Arbeitnehmer den Diebstahl begangen haben kann. Der Verdacht muss dringend sein. Gerichte verlangen in der Regel, dass Indizien Ihre These zum Diebstahl stützen.

Dies kann beispielsweise ein Dienstplan sein, der beweist, dass zum Tatzeitpunkt nur ein Arbeitnehmer gearbeitet hat und daher den Diebstahl begangen haben muss. Können Sie nur bloße Vermutungen aufstellen, reicht das in der Regel nicht für eine fristlose Kündigung aus.

3. Diebstahl am Arbeitsplatz: Rechtliche Konsequenzen neben der Kündigung

Neben einer fristlosen Kündigung können Sie den Diebstahl auch bei der Polizei anzeigen. In diesem Fall wird ein Strafverfahren eröffnet. Einfacher Diebstahl kann laut § 242 II StGB mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Beim Strafmaß spielen verschiedene Faktoren wie die persönlichen Umstände und die Schwere des Diebstahls eine Rolle.

AUFGEPASST

Wurde der Arbeitnehmer in einem Strafverfahren schuldig gesprochen, ist die fristlose Kündigung durch das Urteil nicht automatisch wirksam. Über die Kündigung muss ein Arbeitsgericht entscheiden. So kann es auch dazu kommen, dass beide Gerichte zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

Arbeitgeber können die Herausgabe des Diebesguts verlangen. Diesen Anspruch haben Sie auch, wenn Sie keine Kündigung wegen Diebstahls aussprechen. Das Gesetz sieht vor, dass Sie gestohlene Gegenstände auch noch bis zu 30 Jahre nach der Tat zurückverlangen können. Sind die gestohlenen Sachen nach der Tat nicht mehr auffindbar oder verschlissen, können Sie als Arbeitgeber Schadensersatz oder Entschädigung vom Arbeitnehmer fordern.

4. Erhalten Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis bei fristloser Kündigung wegen Diebstahls?

Bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wird dem Arbeitnehmer in der Regel ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ausgestellt. Dieses kann bei Bewerbungen dem neuen potentiellen Arbeitgeber vorgelegt werden, um ein erstes Bild vom Arbeitnehmer zu zeichnen.

Das Arbeitszeugnis muss nach § 109 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO) wahr und wohlwollend sein. Es darf den Arbeitnehmer nicht an seinem beruflichen Fortkommen hindern. Aber wie verhält sich das, wenn der Arbeitnehmer im Unternehmen geklaut hat und Sie eine fristlose Kündigung ausgesprochen haben? Dürfen Sie den Kündigungsgrund im Arbeitszeugnis erwähnen?

INTERESSANT

Wichtig ist, dass das Arbeitszeugnis das Gesamtbild des Arbeitnehmers wiedergibt. Die genauen Umstände der Kündigung dürfen im Arbeitszeugnis allerdings nicht umschrieben werden. Es genügt, wenn Sie schreiben, dass das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufgelöst wurde.

5. Diebstahl unter Kollegen: Droht die fristlose Kündigung?

Entwenden Arbeitnehmer Gegenstände, die Eigentum der Firma sind, ist der Fall nun klar. Aber droht bei Diebstahl auch die Kündigung, wenn Arbeitnehmer einem Kollegen etwas entwenden? Zunächst einmal haben Sie als Arbeitgeber eine Obhuts- und Verwahrungspflicht gegenüber Ihren Mitarbeitern.

Für persönliche Gegenstände, die Ihr Mitarbeiter in den Betrieb bringt, müssen Sie eine Möglichkeit der sicheren Verwahrung schaffen. Hier bieten sich abschließbare Schränke oder Schreibtische an. Dabei trifft Sie die Obhutspflicht nicht nur für Arbeitsmaterial und Arbeitskleidung, sondern auch für unentbehrliche Gegenstände des Mitarbeiters, die er mit in die Firma bringt. Dazu zählen:

  • Portemonnaie (mit angemessenem Geldbetrag)
  • Fahrkarte
  • Ausweis
  • Autoschlüssel und/oder Hausschlüssel
  • Armbanduhr
  • Jacke und andere private Kleidung, die zum Wechseln benötigt wird

Der Mitarbeiter muss die Möglichkeit haben, seine Wertsachen sicher zu verschließen, um sie vor Diebstahl zu schützen. Haben Sie im Unternehmen keine abschließbaren Schränke oder sind sie nicht funktionstüchtig, kommen Sie Ihren Verwahrungs- und Obhutspflichten nicht nach.

Kommt es dann zu einem Diebstahl unter Kollegen, müssen Sie für den Verlust der Gegenstände geradestehen. Zumindest sofern kein Schuldiger ausfindig gemacht werden konnte. Für unangemessene Wertsachen, die in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, haften Sie nicht. Hierzu zählen beispielsweise teure Armbanduhren oder eine sehr hohe Summe Bargeld. Es ist der jeweilige Einzelfall zu prüfen.

ACHTUNG

Kann ein Kollege als Langfinger enttarnt werden, dann muss er auch für den entstandenen Schaden aufkommen und das Diebesgut an den rechtmäßigen Besitzer zurückgeben. Ist das Vertrauensverhältnis durch den Diebstahl zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschädigt worden, kann auch ein Diebstahl unter Kollegen zu einer Abmahnung oder fristlosen Kündigung führen.

6. Fazit zum Thema “außerordentliche Kündigung bei Diebstahl”

Diebstahl ist in jedem Fall ein Kündigungsgrund. Als Arbeitgeber können Sie das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers ordentlich oder außerordentlich kündigen. Eine vorherige Abmahnung ist nicht nötig. Wichtig bei einer fristlosen Kündigung ist, dass Sie diese spätestens zwei Wochen nach Bekanntwerden des Diebstahls zustellen.

Ein Verdacht kann ebenfalls eine Kündigung wegen Diebstahls rechtfertigen. Hierbei sollte der Verdacht allerdings auf Tatsachen gestützt sein. Damit die fristlose Kündigung wirksam ist, sollte eine große Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Arbeitnehmer die Tat tatsächlich begangen hat.

Ein Strafverfahren kann gegen den Arbeitnehmer eingeleitet werden. Gestohlene Gegenstände können Sie als Arbeitgeber zurückverlangen. Sind diese nicht mehr vorhanden oder verschlissen etc. können Sie einen Anspruch auf Entschädigung oder Schadensersatz geltend machen.

Videoüberwachung ist nur in engen Grenzen zulässig. Im Zweifelsfall sollten Sie allerdings einen Anwalt zurate ziehen. Ob Ihr Datenschutz im Unternehmen rechtssicher ist und wo Risiken oder Lücken bestehen, können Sie mit unserem Datenschutz-Management-System auf eRecht24 Premium überprüfen.

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7. FAQ zu “Kündigung wegen Diebstahls”


Ist ein Aufhebungsvertrag bei Diebstahl besser als eine Kündigung?

Das kommt ganz darauf an. Wenn Sie keine Beweise für den Diebstahl haben, kann ein Aufhebungsvertrag die bessere Wahl sein. Hierfür braucht der Arbeitgeber allerdings die Zustimmung des Arbeitnehmers. Sie müssen als Arbeitgeber keine Beweise zusammentragen und entgehen einer Kündigungsschutzklage.

Für Arbeitnehmer kann sich ein Aufhebungsvertrag auch lohnen. Zwar verlieren sie ihre Beschäftigung, allerdings bekommen sie eine Abfindung ausgezahlt. Aber Achtung: Ein Aufhebungsvertrag kann unter Umständen zu einer Arbeitslosengeldsperre führen.

Droht dem Arbeitnehmer eine Arbeitslosengeldsperre bei fristloser Kündigung?

Arbeitnehmer, die wegen Diebstahls entlassen worden sind, müssen mit einer Sperrzeit für Arbeitslosengeld I rechnen. In dieser Zeit erhalten Betroffene keine Zahlungen von der Agentur für Arbeit. Meistens beträgt die Sperrzeit 12 Wochen ab dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Die Sperrzeit wird auch auf den Bezugszeitraum angerechnet.


 

Caroline Schmidt
Caroline Schmidt, B.A.
Legal Writerin & SEO-Redakteurin

Caroline Schmidt hat Medienbildung studiert und ein einjähriges Volontariat in der Online-Redaktion eines Berliner Legal-Tech-Unternehmens absolviert. Sie ist seit über vier Jahren als Legal Writerin tätig und hat in verschiedenen Rechtsbereichen, darunter dem Arbeitsrecht, Schreiberfahrungen gesammelt. Seit 2022 ist sie als Legal Writerin und SEO-Redakteurin Teil des eRecht24-Redaktionsteams.

Rechtsanwalt Sören Siebert
Sören Siebert
Rechtsanwalt und Gründer von eRecht24

Rechtsanwalt Sören Siebert ist Gründer von eRecht24 und Inhaber der Kanzlei Siebert Lexow. Mit 20 Jahren Erfahrung im Internetrecht, Datenschutz und ECommerce sowie mit mehr als 10.000 veröffentlichten Beiträgen und Artikeln weist Rechtsanwalt Sören Siebert nicht nur hervorragende Fach-Expertise vor, sondern hat auch das richtige Gespür für seine Leser, Mandanten, Kunden und Partner, wenn es um rechtssichere Lösungen im Online-Marketing und B2B / B2C Dienstleistungen sowie Online-Shops geht. Neben den zahlreichen Beiträgen auf eRecht24.de hat Sören Siebert u.a. auch diverse Ebooks und Ratgeber zum Thema Internetrecht publiziert und weiß ganz genau, worauf es Unternehmern, Agenturen und Webdesignern im täglichen Business mit Kunden ankommt: Komplexe rechtliche Vorgaben leicht verständlich und mit praktischer Handlungsanleitung für rechtssichere Webseiten umsetzen.

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