Worum geht's?
Das Urheberrecht schützt in § 2 UrhG neben Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst ausdrücklich auch Sprachwerke. Darunter werden insbesondere Schriftwerke, Reden und Computerprogramme gefasst. Wie sieht das mit Interviews aus? Sind die Fragen und Antworten eines Interviews urheberrechtlich geschützt? Darf ich Interviews zitieren? Mehr dazu lesen Sie in unserem Artikel.
1. Sind Interviews urheberrechtlich geschützt?
Interviews sind ein beliebtes Mittel, um im Journalismus persönliche Meinungen und Informationen einer Person zu erfragen. Ein Interview kann filmisch aufgezeichnet und anschließend im Fernsehen oder auf einer Videoplattform wie YouTube ausgestrahlt werden. Oft werden Interviews aber auch in Zeitungen, Zeitschriften oder auf Nachrichtenwebseiten veröffentlicht.
Aber wie verhält es sich bei Interviews mit dem Urheberrecht? Laut einem Urteil des LG Hamburg (08.11.2012, Az. 308 O 388/12) können Interviewfragen als Sprachwerke urheberrechtlich geschützt sein. Eine Nutzung dieser Interviewfragen ist dann nur mit der Erlaubnis des Urhebers möglich.
ACHTUNG
Wichtig ist hierbei allerdings, dass die Interviewfragen individuell ausformuliert sind, denn nur individuelle geistige Schöpfungen unterliegen nach § 2 Abs. 2 UrhG dem Urheberrechtsschutz.
Beispiel: Simple Fragen, ohne gestalterischen und sprachlichen Spielraum, sind nicht urheberrechtlich geschützt. Dazu zählen Interview-Fragen wie: Würden Sie sich einmal kurz vorstellen? Wie würden Sie Ihren beruflichen Werdegang beschreiben? Welche Entscheidungen aus der Vergangenheit bereuen Sie?
Die Fragen müssen vom Interviewer eine inhaltliche Tiefe aufweisen und so individuell formuliert sein, dass sie eine ausreichende Schöpfungshöhe erreichen. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Antworten des Interviewpartners. Sofern der Interviewte mit seinen Antworten sprachlich eine ausreichende Schöpfungshöhe erreicht, sind sie urheberrechtlich geschützt.
Das LG Berlin stellt in einem Urteil (20.09.2011, Az. 16 O 134/11) noch geringere Anforderungen an die Fragen und Antworten eines Interviews. Demnach genügt es bereits, wenn die Fragen einen darstellerischen und inhaltlichen Spielraum bieten, sodass die Antworten sich daran bedienen.
WUSSTEN SIE’S SCHON?
Auch der Interviewte darf das Interview nicht ohne Zustimmung des Interviewers nutzen. Sofern ein urheberrechtlicher Schutz besteht, hat der Interviewte allenfalls eine Miturheberschaft am Interview. Die Nutzung bedarf nach § 8 UrhG einer Zustimmung aller Urheber.
2. Hintergrund des Urteils vom LG Hamburg
Im konkreten Fall äußerte sich ein Rechtsanwalt in einem Interview mit der Berliner Zeitung zu einigen Fragen des Presserechts. Ein Webseitenbetreiber kopierte Auszüge des Interviews auf seine Homepage und fügte einige Kommentare hinzu.
Der Rechtsanwalt erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, als er auf die Äußerungen aufmerksam wurde. Er begehrte vom Betreiber der Internetseite, es zu unterlassen, Auszüge aus seinem Interview zu vervielfältigen oder öffentlich zugänglich zu machen.
Der Antragsgegner hingegen war der Ansicht, dass die Äußerungen des Rechtsanwalts im Interview bereits kein Werk im Sinne des Urheberrechts sind. Selbst wenn man der Ansicht sei, ein urheberrechtliches Werk liege vor, so sei die Weiterverbreitung durch ihn vom urheberrechtlichen Zitatrecht gemäß § 51 UrhG gedeckt.
3. Wann genießen Interviews keinen urheberrechtlichen Schutz?
Das Landgericht Hamburg gelangt in seiner Entscheidung (Urteil vom 27.04.2011 – Az.: 308 O 625/08) zu dem Ergebnis, dass einzelne Äußerungen in Interviews keinen urheberrechtlichen Schutz genießen. In der Folge können diese ohne Erlaubnis und jegliche Vergütung an den Interviewten verwendet werden.
Einzelne Aussagen in Interviews erreichen nach Ansicht des Gerichts nicht die Schöpfungshöhe der sogenannten „kleinen Münze“. Darunter wird der Urheberrechtsschutz für Werke bezeichnet, die „gerade so“ die Anforderungen der urheberrechtlichen Schöpfungshöhe erreichen.
WUSSTEN SIE’S SCHON?
Dies gelte insbesondere für Äußerungen, die in sprachlicher und inhaltlicher Sicht sehr einfach gestaltet sind. Etwas anderes kann sich nur für komplexe Äußerungen in Interviews ergeben, welche komplizierte Sachverhalte in einer einfachen Sprache zusammenfassen. Diese können regelmäßig die nötige Schöpfungshöhe erreichen.
Allerdings kann auch hier die Übernahme von solchen Passagen durch das Zitatrecht gerechtfertigt werden. Begründet wird das von den Hamburger Richtern mit einem „berechtigten öffentlichen Interesse“, das sich aus Art. 5 I GG ergeben kann.
Ein restriktives Zitatrecht würde hingegen zu einer sinnentstellenden Verkürzung von Zitaten führen, so das Landgericht. Der Umfang des erlaubten Zitierens ergebe sich jedoch jeweils durch eine Gesamtabwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls.
4. Fazit
Die Schöpfungshöhe und damit der urheberrechtliche Schutz von Interviewäußerungen sind in der Regel sehr gering einzustufen. Deswegen wird ein öffentliches Interesse in der Abwägung regelmäßig überwiegen.
Passagen aus Interviews können unter Umständen in Hinblick auf das Zitatrecht mit ausreichenden Quellenverweisen beispielsweise für einen eigenen Beitrag auf der Website genutzt werden. Dies bedarf im Detail allerdings immer einer Einzelfallbetrachtung.
Komplette Abschriften des Interviews sollten allerdings durch eine Erlaubnis des Urhebers abgesichert werden, sofern die Fragen und Antworten ein hohes Maß an Individualität und sprachlicher Gestaltung aufweisen.
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