Worum geht's?
Sie sind deutscher Onlineshopinhaber und bieten Ihre Waren Käufern in Frankreich an? Oder ein italienischer Anbieter nutzt Fotos von Ihrer Website und verletzt Ihre Urheberrechte? Dann steht eines im Fokus: das Internationale Privatrecht (IPR). Grenzüberschreitende Verträge im Internet kommen sehr häufig vor. Das Ziel: Es muss geklärt werden, welches Recht in dem Sachverhalt zur Anwendung kommt und welches Gericht zuständig ist. Wir geben Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Regeln und Grundlagen im Internationalen Privatrecht (IPR).
1. Was regelt das internationale Privatrecht (IPR)?
Es liegt in der Natur des Internets, dass jede Art von Information überall auf der Erde durch die Nutzer des Netzes abrufbar ist. Vor allem im Bereich des Onlinerechts bringt dies aber einige Probleme mit sich. Dies sind vor allem Fragen des Vertragsrechtes, denn alles, was zwischen deutschen Vertragspartner schiefgehen kann, kann natürlich auch bei Vertragspartnern unterschiedlicher Nationalität anders als gewünscht laufen. Auch im Bereich der sogenannten unerlaubten Handlung spielen internationale Aspekte eine Rolle, etwa dann, wenn über eine ausländische Website beleidigende oder geschäftsschädigende Äußerungen getätigt werden. Auch die Bereiche des Marken-, Urheber- oder Wettbewerbsrechts werden durch das Hinzutreten internationaler Aspekte oftmals noch unübersichtlicher.
WICHTIG
Das Internationale Privatrecht (IPR) beantwortet nicht die Rechtsfrage in der Sache, sondern bestimmt nur, welches nationale Recht auf Sachverhalte mit Auslandsberührung anwendbar ist (Kollisionsrecht) und welches Gericht zuständig ist. Eine Regel, die besagt: "Alles was ein Deutscher tut, unterliegt automatisch Deutschem Recht" gibt es nicht!
Wenn beispielsweise ein Deutscher im Urlaub in England bei einem Online-Versandhandel mit Sitz in Italien Waren bestellt, muss zunächst geklärt werden, welche Rechtsordnung auf diese vertraglichen Beziehungen anwendbar ist. Da das Geschäft in England geschlossen wurde, könnte auch das englische Recht in Betracht kommen. Dankbar wäre ebenso die Anwendung italienischen Rechts, da der Vertragspartner ein italienisches Unternehmen ist. Losgelöst von der Frage des anzuwendenden Rechts muss auch geklärt werden, in welchem Land die Betroffenen ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen können. Auch um diese Fragen aufzulösen, bedarf es des internationalen Privatrechts.
2. Was ist IPR?
Das internationale Privatrecht (IPR, Kollisionsrecht) bestimmt in Fällen mit Auslandsberührung, welche Rechtsordnung zur Anwendung kommt. Vorrangig gelten seit 2009 z.B. die Rom-I- und die Rom-II-VO. Andernfalls bestimmt sich das anzuwendende Recht bei Sachverhalten mit einer Verbindung zu einem ausländischen Staat nach den Vorschriften von Art. 3-26 und 38-49 EGBGB (Internationales Privatrecht (IPR). Der Name Internationales Privatrecht (IPR) ist dabei missverständlich. Es handelt sich gerade nicht um internationales Recht, sondern um nationales (hier also deutsches) Recht. Jedes Land hat ein eigenes IPR, und nur dieses wird vom jeweiligen Richter angewendet.
Dabei löst das Internationale Privatrecht (IPR) einen Fall nicht. Das ist Aufgabe des jeweiligen Sachrechtes (etwa des deutschen BGB oder des französischen Code Civil). Das IPR bestimmt nur, welches Gericht im konkreten Sachverhalt international zuständig ist und welches Sachrecht auf einen Fall angewandt wird.
Geregelt ist das deutsche IPR vor allem im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Daneben sind eine Vielzahl von Staatsverträgen zu beachten, die das auf den Sachverhalt anzuwendende Sachrecht bestimmen und die im Zweifel dem nationalen Recht vorgehen: Dazu gehören z.B. seit 2009 auch die genannten Rom-Verordnungen I-III. Es existieren auch Abkommen über das Sachrecht selbst, etwa die Convention for the International Sale of Goods (CISG), auch UN-Kaufrecht genannt.
3. Anwendungsbereich des IPR
Das IPR regelt also die anwendbare Rechtsordnung in einem Fall mit Auslandsberührung. Die Auslandsberührung in dem Sachverhalt kann sich beispielsweise ergeben aus:
- der Staatsangehörigkeit einer Person
- dem Tatort einer unerlaubten Handlung
- dem Abschlussort eines Vertrages oder
- dem Erfüllungsort eines Vertrages
Für den Rechtsverkehr im Internet sind vor allem zwei Bereiche des IPR von Interesse: das Vertragsrecht und das Recht der unerlaubten Handlung (Deliktsrecht).
4. Rechtsvorschriften: Wichtige Änderungen mit Rom I und Rom II
Im IPR gibt es nicht nur “das eine Gesetz”. Die für das Gebiet Internationales Privatrecht (IPR) maßgeblichen Vorschriften stehen nicht nur im Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB). Sind Sachverhalte innerhalb der Europäischen Union betroffen, gelten zusätzlich die Rom I-, die Rom II- und die Rom III-Verordnung. Im Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse ist die Rom I-Verordnung relevant, im Deliktsrecht die Rom II-Verordnung. Diese spielen damit im Rechtsgebiet des Onlinehandels und des Onlinerechts eine maßgebliche Rolle.
WICHTIG
Generell haben seit 2009 die Rom-I- und Rom-II-Verordnung Vorrang vor dem EGBGB (§ 3 EGBGB).
5. Anwendbares Recht nach Rom-I
1. Wichtiges Prinzip im Internationalen Privatrecht (IPR): Rechtswahl
Zunächst können die Vertragspartner selbst bestimmen, welches Recht zur Anwendung kommen soll, d.h. welche Rechtsnormen auf ihren Sachverhalt angewendet werden sollen. Die Voraussetzungen für eine gültige Rechtswahl stellte bis 2009 Art. 27 EGBGB auf.
ÜBRIGENS
Jedoch sind mit der Rom I-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 593/2008) mit Geltung zum 17.12.2009 die Art. 27-37 EGBGB aufgehoben worden. Seitdem gilt für vertragliche Schuldverhältnisse innerhalb der EU die Rom I-Verordnung. Nunmehr ist der Vorrang der Rechtswahl in Art. 3 Rom-I-VO geregelt. Das gilt grundsätzlich auch für Kauf- oder Werklieferungsverträge.
Dem EGBGB und der Rom-I-VO vorrangig ist bei internationalen Kaufverträgen das „Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Wareneinkauf“ von 1980 („CISG“). Ein solcher Vertrag besteht, wenn die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihre Niederlassungen in unterschiedlichen Vertragsstaaten des CISG haben. Inhaltlich sind die Regelungen des CISG dem deutschen Kaufrecht ähnlich, aber etwas käuferfreundlicher. Zum Beispiel ist eine Schadensersatzpflicht des Verkäufers nicht von dessen Verschulden abhängig. Voraussetzung ist allerdings:
- Es handelt sich um den gewerblichen Bereich.
- Die Parteien haben die Geltung des CISG nicht ausgeschlossen.
Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, findet die Rom-I-VO Anwendung.
2. Wie geschieht die Rechtswahl?
In vielen Fällen geschieht die Rechtswahl durch entsprechende AGB-Klauseln in den geschlossenen Verträgen. Ob diese AGB wirksam sind, richtet sich nach dem sogenannten Vertragsstatut. Dies sind die Rechtsnormen des Rechts, das anwendbar ist, wenn der Vertrag als ganzer wirksam wäre. Für Verbraucher gelten auch hier spezielle Sonderregelungen, die weiter unten dargestellt werden.
LESEEMPFEHLUNG
Mehr Infos zum Thema AGB finden Sie in unserer Übersicht “AGB-Fakten für Online-Shops, Unternehmer und Webdesigner: Rechtssichere Formulierungen und rechtliche Fallstricke”.
Sollte eine ausdrückliche Rechtswahl nicht getroffen worden sein, kann es auch sein, dass eine solche Rechtswahl stillschweigend getroffen wurde. Dies ist der Fall, wenn sich die Parteien einig darüber waren, welches Recht anwendbar ist, dieses aber nicht vertraglich geregelt wurde. Anzeichen dafür können sein:
- die Vereinbarung eines Erfüllungsortes
- die Vereinbarung eines Gerichtsstandes
- die Vertragssprache
Dies alles sind aber nur Indizien. Allein daraus, dass ein Vertrag in Englisch abgefasst wurde, ergibt sich nicht in jedem Fall, dass die englischen Rechtsnormen auf den Vertrag angewandt werden sollen. Auch der Server-Standort bietet nach allgemeiner Auffassung keinen Anhaltspunkt für eine konkludente Rechtswahl. Eine Rechtswahl ist darüber hinaus auch noch nachträglich und sogar während eines Prozesses möglich.
3. Sonderregeln für bestimmte Verträge
Wurde keine Rechtswahl getroffen, kommt seit 2009 Artikel 4 Rom-I-VO zur Anwendung. Demnach bestimmt Art. 4 Abs. 1 für bestimmte Vertragsarten, welchem Recht der Vertrag unterliegt. Beispiele:
Soweit die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben, bestimmt sich das auf den Vertrag anzuwendende Recht bei Kaufverträgen im B2B über bewegliche Sachen und bei Dienstleistungen nach dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer bzw. Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
LESESTOFF
Mehr Informationen zum Thema e-Commerce finden Sie in unserer Übersicht “Erfolgreich im Online-Handel: Was Online-Shop-Betreiber von rechtlichen Fallstricken über Marketing bis hin zur Gestaltung wissen sollten”.
Weitere Sonderregelungen (hier wohl in der Regel nicht anwendbar) gelten für Verträge über
- Miete und Pacht
- Franchise
- Vertrieb
- Verkauf durch Versteigerungen
- Finanzinstrumente
Fällt der Vertrag dagegen nicht unter die aufgezählten Rechtsgebiete, so gilt: Er unterliegt dem Recht des Staates, in dem die Partei, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen hat,ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ausnahme: Der Vertrag hat offensichtlich eine engere Verbindung zu dem anderen Staat.
4. Ebenso wichtiges Prinzip im IPR: Engste Verbindung des Vertrages
Ist das alles nicht einschlägig, so richtet sich der Vertrag nach dem Recht des Staates, zu dem er die engste Verbindung aufweist (Art. 4 Abs. 3 Rom-I-VO). Das bedeutet übersetzt: Es findet die Rechtsordnung Anwendung, die dem Auslandssachverhalt am nächsten steht.
Alte Rechtslage:
Bis 2009 kam in diesem Bereich bei fehlender Rechtswahl für diese Sachverhalte Art. 28 EGBGB zur Anwendung. Dieser bestimmte ebenfalls, dass ein Vertrag dem Recht unterliegt, mit dem es die engste Verbindung aufweist. Als Vermutung galt dabei nach Art. 28 Abs.2 EGBGB:
Die engste Verbindung besteht mit dem Staat, in dem die Partei, welche die vertragscharakteristische Leistung erbringt, ihren Aufenthalt oder ihren Unternehmenssitz hat. Vertragscharakteristische Leistung ist dabei meist die Nichtgeldleistung. Bei Kaufverträgen ist es der Sitz des Verkäufers, bei Reiseverträgen der Sitz des Reiseveranstalters usw.
5. Besonderheit des Internationalen Rechts: Das gilt für Verbraucherverträge
Ausnahmen von diesen Grundsätzen werden bei Verbraucherverträgen gemacht. Das sind gem. Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO Verträge, bei denen einer der Beteiligten Verbraucher ist, also den Vertrag zu privaten, nicht gewerblichen Zwecken abschließt, und der andere Unternehmer (ehemals Art. 29 Abs.1 EGBGB) .
Hiernach gilt das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und der Unternehmer seine Tätigkeit dort ausübt. Der gewöhnliche Aufenthaltsort wird in den meisten Fällen der Wohnsitz sein.
Auch bei Verbraucherverträgen kann eine Rechtswahl getroffen werden. Jedoch bindet eine Rechtswahl in Verbraucherverträgen den Verbraucher nur in einem bestimmten Umfang. Relevant ist, dass das gewählte Recht nicht gegen die zwingenden Verbraucherschutzvorschriften des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Verbrauchers verstößt (Art. 6 Abs. 2 Rom-I-VO).
Deutsche Verbraucher werden in diesem Fall also stets durch die deutschen Verbraucherschutzvorschriften geschützt, unabhängig von dem jeweils gewählten Recht (z.B. . §§ 305 ff. BGB) .
Wichtig: Für die anderen Klauseln des B2C-Vertrages gilt das gewählte Recht. Auf diese Weise kann in B2C-Verträgen das Recht von zwei Staaten zur Anwendung gelangen.
ACHTUNG
Dazu zwei wichtige Hinweise:
- Das gilt nur für Verträge über die Lieferung von beweglichen Sachen, über die Erbringung von Dienstleistungen sowie zur Finanzierung dieser Geschäfte und weitere (hier nicht relevante) Vertragstypen.
- Nach dem seit 2022 geltenden Art. 46b EGBGB gilt ein Verbraucherschutz für besondere Gebiete: Haben sich Verbraucher und Unternehmer mit Sitz in der EU auf das Recht eines Drittlandes geeinigt, hat der Vertrag aber einen engen Zusammenhang mit einem der Mitgliedstaaten auf, gelten die entsprechenden Verbraucherschutzrichtlinien trotzdem.
Alte Rechtslage:
Wurde keine Rechtswahl getroffen, unterlagen Verbraucherverträge auch nach Art. 29 Abs.2 EGBGB bis 2009 dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und der Unternehmer seine Tätigkeit dort ausübt. Wurde eine Rechtswahl getroffen, war diese nicht ungültig.
Waren die weiteren Voraussetzungen des Art. 29 Abs.1 Nr.1-3 EGBGB gegeben, blieben aber die Verbraucherschutznormen des Aufenthaltsortes des Verbrauchers anwendbar. So beurteilte sich die Einbeziehung von AGB (und damit oft auch einer Rechtswahlklausel) für deutsche Verbraucher immer nach den deutschen Vorschriften über die AGB in den §§ 305 ff BGB.
Wichtig sind in Deutschland weiterhin das Fernabsatzgesetz oder das Verbraucherkreditgesetz, die ebenfalls in das BGB integriert sind.
6. Rom II - Unerlaubte Handlung
Das Recht der unerlaubten Handlung (auch Deliktsrecht genannt) ist im Wesentlichen in Art. 4 Rom-II-VO geregelt. Vor 2009 war das ausschließlich in Art. 40 EGBGB geregelt. Zwar bleibt dieser bestehen, die Rom-II-VO ist jedoch vorrangig.
Auch im Bereich des Deliktsrechtes ist eine Rechtswahl der Beteiligten zulässig. Geregelt ist dies in Art. 14 Rom-II-VO bzw. in Art. 42 EGBGB. Die Rechtswahl kann jedoch erst nach Eintritt des schädigenden Ereignisses getroffen werden, nicht schon pauschal vor Eintritt eines Schadens.
Im Internationalen Privatrecht (IPR) ist der Begriff der unerlaubten Handlung weiter zu fassen als in § 823 BGB des deutschen Rechts. Er umfasst alle außervertraglichen Schadensersatzansprüche. Demnach ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.
ACHTUNG
Geht es um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, der Privatsphäre oder Verleumdung, ist die Rom-II-VO allerdings nicht anwendbar. In diesem Fall kommt wieder Art. 40 EGBGB zur Anwendung.
Grundsätzlich gilt dann die sogenannte Tatortregel des Art. 40 Abs. 1 EGBGB - das heißt, dass bei unerlaubten Handlungen das Recht des Landes anwendbar ist, in dem der Schädiger gehandelt hat.
Nun kann es aber auch möglich sein, dass der Täter in einem Land handelt, der Erfolg aber in einem anderen Land eingetreten ist. Juristen meinen mit Erfolg den Eintritt einer Rechtsverletzung. Das führt dazu, dass beispielsweise beim Mord die Tötung eines Menschen der Erfolg ist, sprachlich also ziemlich makaber.
Handlungsort und Erfolgsort können aber gerade im Internet auseinanderfallen. Wenn eine beleidigende Äußerung in der Schweiz ins Netz gestellt wurde, ist die Schweiz der Handlungsort. Erfolgsort wäre für den Beleidigten der Ort, an dem die Website bestimmungsgemäß abgerufen werden kann.
Diesem Phänomen der “Streudelikte” soll allerdings mit Art. 40 Abs. 2 EGBGB und Art. 41 EGBGB entgegengetreten werden. Demnach gelten folgende Ausnahmen:
- Beide haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat - dann gilt dieses Recht.
- Allerdings: Besteht offensichtlich eine engere Verbindung zu einem anderen Staat, gilt dieses Recht.
7. Rechtsgebiet Internationales Zivilprozessrecht: Bei wem liegt die internationale Zuständigkeit?
Jedes Gericht wendet nur das eigene, nationale IPR an. Es muss also vorher gefragt werden, ob ein deutsches Gericht überhaupt zuständig für die Lösung eines Falles ist. Auch Richter fragen sich bei der Bearbeitung eines Falles immer zuerst: "Warum gerade ich?".
Die Vorschriften für die internationale Zuständigkeit sind nicht zusammenhängend geregelt. Es gibt sowohl staatsvertragliche Übereinkommen (z.B. EuGVVO, Luganer Übereinkommen) als auch gesetzliche Regeln z.B. im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und in der ZPO.
1. Wichtigste Rechtsquelle: die EuGVVO (bis 2001 EuGVÜ)
Die EuGVVO gilt mittlerweile für alle Staaten der Europäischen Union und regelt neben der gerichtlichen Zuständigkeit auch die Anerkennung und Vollstreckung zivilrechtlicher und handelsrechtlicher Entscheidungen. Sie wurde zuletzt durch die sog. Brüssel-1a-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012) geändert und gilt in der aktuellen Fassung seit dem 10.1.2015.
Dabei kommt es nicht auf die Staatsangehörigkeit einer Person an, sondern auf deren Wohnsitz. Nach Art. 4 Abs. 1 EuGGVO kann jede Person, die ihren Wohnsitz in einem EU-Mitgliedsstaat hat, an ihrem allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden. Sachlich anwendbar ist die EuGGVO in Zivil- und Handelssachen, zu beachten sind aber die Ausnahmen in Art. 1 Abs. 2 EuGVVO. Des Weiteren gilt das EuGVVO nicht für reine Inlandsfälle.
2. Besondere Gerichtsstände im IPR
Neben dem allgemeinen Gerichtsstand gibt es auch im IPR einige besondere Gerichtsstände.
Für die vertragliche Haftung anwendbar ist Art. 7 Nr. 1 EuGVVO. Danach ist der Gerichtsstand des Erfüllungsortes maßgeblich. Erfüllungsort soll hierbei jedoch nicht der Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung sein, sondern der Erfüllungsort der jeweils in Streit stehenden Verpflichtung.
INTERESSANT
Wird also vom Vertragspartner die Ware nicht geliefert, muss dort geklagt werden, wo die Lieferpflicht zu erfüllen gewesen wäre. Zahlt der Vertragspartner nicht, ist Gerichtsstand entsprechend der Ort, an dem die Zahlungsverpflichtung zu erfüllen gewesen wäre.
Wenn Verbraucher eine bewegliche Sache kaufen und dabei Teilzahlung vereinbaren oder es um ein Darlehen geht, kommt Art. 17, 18 EuGVVO zur Anwendung: Ihre Klage können Verbraucher dann am Wohnsitz des Vertragspartners oder an ihrem eigenen Wohnsitz erheben.
3. Das gilt bei der unerlaubten Handlung
Für die Fälle der unerlaubten Handlung gilt Art. 7 Nr. 2 EuGVVO. Dies betrifft einen Großteil der im Internet auftretenden Fälle, da hierunter Schadensersatzansprüche wegen Urheberrechtsverletzungen, Wettbewerbsverstößen oder Verletzungen von Markenrechten fallen. Es kann vom Geschädigten dort geklagt werden, wo das schädigende Ereignis eingetreten ist.
Im Internet besteht die Schwierigkeit nun aber darin, dass in vielen Fällen eine Rechtsverletzung (etwa Markenrechtsverletzungen auf einer Website) weltweit wirkt und das schädigende Ereignis überall dort eintritt, wo die Seite bestimmungsgemäß abgerufen werden kann.
Als Folge kommt es häufig zum sogenannten “Forum Shopping”, das heißt, der Kläger kann wählen, vor welchem Gericht er klagen will. Dies wird das Gericht sein, vor dem der Kläger (bzw. sein Rechtsanwalt) sich die größten Chancen auf einen Sieg ausrechnet.
Kriterien für diese Wahl können sein:
- die anwendbare Rechtsordnung des betreffenden Landes
- die Möglichkeit, das Urteil später auch tatsächlich in diesem Land durchzusetzen
- die Dauer und Kosten des Verfahrens
4. Wenn EuGVVO nicht gilt, gilt nationales Prozessrecht
Ist die EuGVVO nicht anwendbar, kommt zur Bestimmung der Zuständigkeit eines Gerichtes das nationale Prozessrecht zur Anwendung. In Deutschland ist dies vor allem die ZPO. Hier gilt der Grundsatz: "Die örtliche Zuständigkeit indiziert die internationale Zuständigkeit".
Ist also ein deutsches Gericht nach den §§ 12 ff ZPO örtlich zuständig, ist es auch international zuständig.Hier sind die wichtigsten Vorschriften für Privatpersonen § 13 ZPO, für Unternehmen die §§ 17 und 21 ZPO, für vertragliche Streitigkeiten § 29 ZPO und für das Recht der unerlaubten Handlung § 32 ZPO.
AUFGEPASST
Dies schließt aber nicht aus, dass eine andere Rechtsordnung sich selbst nun ebenfalls für zuständig erklärt. In diesen Fällen hat der Kläger dann die Wahl, vor welchem Gericht er klagen will).
8. Sonderfall: Internationales Urheberrecht
Nationale Urheberrechte gelten grundsätzlich nur national begrenzt, es gilt das sogenannte Schutzlandprinzip. Das deutsche Urhebergesetz kann in dieser Form also nur in Deutschland verletzt werden, ausländische Rechte nur im Ausland.
Umfang und Inhalt des Urheberrechtes bestimmen sich nach dem Recht des jeweiligen Landes, für das Schutz beansprucht wird, vgl. auch Art. 8 Rom-II-VO. Dies gilt für den Schutz von Software genauso wie für den Schutz von Webseiten oder für den Schutz von Content.
Die verletzten Rechte können also in verschiedenen Ländern geltend gemacht werden, wobei auch hier die für den Kläger günstigste Rechtsordnung gewählt werden kann. Auf der anderen Seite unterliegt ein Werk (Software, Content, Musik...) damit auch verschiedenen ausländischen Schutzgesetzen. Es gibt also auch sehr viel mehr Möglichkeiten, selber Rechte Dritter zu verletzen.
Problematisch hierbei ist folgende Situation: Verstößt ein Angebot im Netz gegen die Rechtsordnung nur eines einzigen Landes, müsste gegen dieses Angebot vorgegangen werden. Entgegen der Ansicht von einigen Gerichten kann man Seiten im Internet nämlich nicht sinnvoll nur für ein bestimmtes Land sperren.
Der weltweiten Abrufbarkeit wegen müsste das Angebot dann auch weltweit gesperrt werden. Die wenigsten Websitebetreiber werden sich aber mit ausländischen Urheberrechten befassen können, wo schon erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich des deutschen Urheberrechtes bestehen. Soweit ersichtlich gibt es bisher auch noch keine obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Problematik.
“Wie Sie trotz Urheberrecht Bilder, Texte und Videos rechtssicher nutzen”,
“Verstoß gegen das Urheberrecht: So teuer wird's bei einer Abmahnung”
9. Sonderfall: Internationales Wettbewerbsrecht
Das Wettbewerbsrecht geht, ähnlich wie das Recht der unerlaubten Handlung, von der Tatortregel aus. Allerdings spricht man im Wettbewerbsrecht von der Marktortregel. Diese besagt: Es findet die Rechtsordnung des Landes Anwendung, in dem die wettbewerbsrechtlichen Interessen der Mitbewerber auf die Marktgegenseite treffen (BGH, Urteil vom 30. Juni 1961, Az. I ZR 39/60).
Für eine Website bedeutet dies, dass regelmäßig der Anknüpfungspunkt für das anzuwendende Recht jeder Ort ist, an dem die Seite abrufbar ist. Denn nur dort treffen die wettbewerbsrechtlichen Interessen der Mitbewerber aufeinander, die im Internet werben.
Streng genommen ist somit weder der Standort des Servers, noch der Ort, an den die Ware letztendlich ausgeliefert wird, maßgeblich für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtsordnung (so auch Köhler/Arndt, Recht des Internet Rn.465). Dies bedeutet aber auch, dass sich Gewerbetreibende dem strengsten Wettbewerbsrecht unterwerfen müssen, wenn ihre Angebote in fast allen Ländern der Erde abgerufen werden können.
10. Wenn das alles nicht passt: Der “Odre Public”
Eine Besonderheit des internationalen Privatrechts (IPR) ist der sogenannte Odre-Public-Vorbehalt des Art. 6 EGBGB. Danach wird ausländisches Recht dann nicht angewandt, wenn das Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere der Grundrechte, unvereinbar ist. Dabei muss das Ergebnis der Anwendung einer Norm mit den Grundsätzen des deutschen Rechts kollidieren, nicht die Norm selber. Eine entsprechende Regelung findet sich in Art. 21 Rom-I-VO.
Da jedoch grundsätzlich alle Rechtsordnungen gleichwertig sind, kommt der Odre Public eher selten zur Anwendung.