Erreichbarkeit im Urlaub, nach Feierabend & bei Krankheit

Darf ich meine Mitarbeiter verpflichten, außerhalb der regulären Arbeitszeit erreichbar zu sein?

Fachlich geprüft von: Rechtsanwalt Sören Siebert Rechtsanwalt Sören Siebert
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Das Wichtigste in Kürze

  • Sie können als Arbeitgeber keine ständige Erreichbarkeit im Urlaub, Feierabend oder bei Krankheit des Arbeitnehmers vertraglich vereinbaren.
  • Im absoluten Notfall können Mitarbeiter kontaktiert oder sogar aus dem Urlaub zurückgeholt werden.
  • Mitarbeiter in Rufbereitschaft oder im Bereitschaftsdienst müssen auch nach Feierabend erreichbar sein.

Worum geht's?

Die ständige Erreichbarkeit von Arbeitnehmern hat vor allem einen großen Vorteil für Arbeitgeber: Probleme können schnell und kurzfristig beseitigt werden. Aber gerade im Homeoffice wird die Trennung zwischen Beruf und Privatleben zur Herausforderung. Für ständig erreichbare Mitarbeiter kann eine fehlende Ruhezeit zu Depressionen, Angstzuständen und zum Burnout führen. Aber inwiefern dürfen Sie Ihre Mitarbeiter im Urlaub, nach Feierabend und bei Krankheit laut Arbeitsrecht kontaktieren? Können Sie Ihre Arbeitnehmer zur Erreichbarkeit verpflichten? Antworten auf diese Fragen erhalten Sie in unserem Artikel.

 

1. Müssen Ihre Mitarbeiter erreichbar sein, wenn sie im Urlaub oder Feierabend sind?

Vor allem der technische Fortschritt sorgt dafür, dass wir überall und ständig erreichbar sind. Mit dem Smartphone empfangen wir nicht nur Anrufe und SMS, sondern auch E-Mails und Video Calls. Aber dürfen Sie als Arbeitgeber von Ihren Mitarbeitern verlangen, ständig erreichbar zu sein? Auch im Urlaub oder im wohlverdienten Feierabend?

Laut Arbeitszeitgesetz (ArbZG) gilt: Sie dürfen Ihre Mitarbeiter nicht ohne angemessene Ruhezeiten zur Arbeit auffordern. Eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden sollte laut § 3 ArbZG nicht überschritten werden. Maximal zehn Stunden pro Tag sind erlaubt, wenn Ihre Arbeitnehmer innerhalb von sechs Monaten im Durchschnitt acht Stunden arbeiten.

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LESEEMPFEHLUNG

Egal ob Homeoffice oder im Betrieb: Die Arbeitszeiterfassung ist für Arbeitgeber Pflicht. Was Sie dazu beachten müssen, lesen Sie in unserem Artikel.

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Eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden nach Arbeitsende legt § 5 ArbZG fest. Sonn- und Feiertagsarbeit ist nicht erlaubt. Hiervon sind allerdings einige Berufsgruppen ausgenommen. Dazu gehören beispielsweise Krankenschwestern, Ärzte, Personen, die in der Gastronomie arbeiten sowie Pflegepersonal.

Keine ständige Erreichbarkeit nach Feierabend per Gesetz

Nach Feierabend, besonders innerhalb der elf Stunden Ruhezeit, dürfen Sie Ihre Mitarbeiter nicht kontaktieren. Diese Freizeit muss dem Mitarbeiter ununterbrochen zur freien Verfügung stehen, damit er am nächsten Arbeitstag wieder voller Energie starten kann. Hiervon ausgenommen sind Rufbereitschaften und Bereitschaftsdienste. Darauf gehen wir in Kapitel 5 näher ein.

Darf der Arbeitgeber im Urlaub anrufen oder den Urlaub sogar unterbrechen?

In absoluten Notfällen können Sie Ihre Mitarbeiter auch im Urlaub kontaktieren. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn nur Ihr Arbeitnehmer ein wichtiges Passwort hat und kein anderer Mitarbeiter helfen kann. In diesem Fall gilt die aufgewendete Zeit allerdings als Arbeitszeit und muss vergütet werden.

AUFGEPASST!

Im Urlaub gilt: Der gesetzliche Mindesturlaub dient der Erholung Ihrer Mitarbeiter. Dies gilt allerdings sowohl für den Mindesturlaub laut § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) als auch für zusätzlichen Erholungsurlaub, den Sie laut Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer festgelegt haben. Daher dürfen Sie Ihre Arbeitnehmer nur bei dringender Notwendigkeit aus dem Urlaub zurückholen.

Als Arbeitgeber dürfen Sie Ihre Beschäftigten auch nicht aus dem Urlaub holen, es sei denn, die Existenz des Betriebs ist gefährdet und es gibt keine Alternativen zur Urlaubsunterbrechung. Kosten, die mit der Urlaubsunterbrechung zusammenhängen, müssen Sie als Chef tragen und außerdem die versäumten Urlaubstage dem Mitarbeiter wieder gutschreiben.

2. Erreichbarkeit bei Krankheit laut Arbeitsrecht

Bei Krankheit kommt es darauf an, was Sie vertraglich mit Ihrem Arbeitnehmer vereinbart haben. Sie können beispielsweise vereinbaren, ob und in welchem Umfang Ihre Mitarbeiter bei Krankheit erreichbar sein müssen. Ansonsten gilt aber: Krank ist krank. Ihre Mitarbeiter sind bei Krankheit laut Arbeitsrecht nicht dazu verpflichtet, ans Telefon zu gehen, wenn Sie anrufen.

3. Überstundenfrei: Erreichbarkeit nötig oder nicht?

Besonders innerhalb der Saison oder zu besonders arbeitsintensiven Zeiten kann es zur Ansammlung von Überstunden kommen. Haben Sie mit Ihrem Arbeitnehmer entschieden, dass dieser seine Überstunden abbauen kann, muss er innerhalb dieser Freizeit nicht erreichbar sein.

Die Nichterreichbarkeit beim Abbau von Überstunden dient der Erholung des Arbeitnehmers. Diesen Freizeitausgleich sollten Sie Ihren Beschäftigten gönnen, um sich von der Mehrarbeit zu erholen.

4. Ständige Erreichbarkeit laut Arbeitsvertrag: Ist das rechtens?

Oftmals finden sich in Arbeitsverträgen Klauseln, die eine ständige Erreichbarkeit der Arbeitnehmer fordern. Besonders Führungskräfte werden hierbei in die Pflicht genommen. Eine Erreichbarkeit im Urlaub für einige Stunden pro Tag wird dann meistens erwartet. Aber dürfen Sie das als Arbeitgeber verlangen?

Bereits 2000 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Urteil vom 20.06.2000, Az. 9 AZR 405/99), dass solche Klauseln im Arbeitsvertrag unzulässig sind und dem Arbeitnehmer der gesetzliche Mindesturlaub als Erholung zur freien Verfügung stehen muss. Eine ständige Erreichbarkeit steht dem entgegen.

An den zusätzlichen vertraglich festgelegten Urlaubstagen können Sie als Arbeitgeber eine Erreichbarkeit im Urlaub verlangen. Im Zweifelsfall können Sie einen Rechtsanwalt für Arbeitsrecht kontaktieren, um eine rechtlich zulässige Regelung zu finden.

ÜBRIGENS

Auch wenn Ihre Arbeitnehmer ein Diensthandy haben, müssen sie über dieses nicht stets und ständig erreichbar sein. Das Diensthandy dürfen Arbeitnehmer nach Feierabend, im Urlaub und bei Krankheit auch ausschalten, sofern sie keine Bereitschaft haben. Sie haben als Arbeitgeber nicht das Recht, eine ständige Erreichbarkeit - sowohl wenn der Arbeitnehmer überstundenfrei hat als auch nach Feierabend und im Urlaub - über das Diensthandy zu fordern.

5. Ausnahme: Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft

Eine Rufbereitschaft oder ein Bereitschaftsdienst stellen die Ausnahme von dieser Nichterreichbarkeit der Arbeitnehmer dar. Bei der Rufbereitschaft kann der Arbeitnehmer selbst bestimmen, an welchem Ort er sich aufhält.

ACHTUNG

Er muss allerdings oft innerhalb einer vorher festgelegten Zeit am Arbeitsort sein. Diese Zeitspanne dürfen Sie als Arbeitgeber allerdings nicht zu eng setzen, denn ansonsten kann es sich bei der Rufbereitschaft um vergütete Arbeitszeit handeln. So hat bereits 2021 der EuGH (Urteil vom 09.03.2021, Az. C - 580/19) im Fall eines Feuerwehrmannes entschieden, der innerhalb von zwanzig Minuten in Einsatzkleidung und mit Einsatzfahrzeug die Stadtgrenze von Offenbach erreichen sollte.

Beim Bereitschaftsdienst bestimmen Sie als Arbeitgeber den Aufenthaltsort Ihres Arbeitnehmers. Während der Bereitschaftsdienst zur vergüteten Arbeitszeit zählt, wird die Rufbereitschaft in der Regel nicht vergütet. Erst wenn der Mitarbeiter tatsächlich zur Arbeit gerufen wird, zählt dies zur vergüteten Arbeitszeit.

Als Arbeitgeber müssen Sie Ihre Mitarbeiter erreichen können, wenn sie Rufbereitschaft haben. Die Arbeitnehmer müssen also auch außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit erreichbar sein. Mitarbeiter in Rufbereitschaft erhalten vom Arbeitgeber in der Regel ein Diensthandy oder Pager.

6. Dürfen Sie als Arbeitgeber Arbeitnehmern kündigen, die im Urlaub, Feierabend oder bei Krankheit nicht erreichbar sind?

Nein. Ihren Arbeitnehmern steht nach Feierabend die Ruhezeit zu. Der gesetzliche Urlaub dient der Erholung des Arbeitnehmers. Und auch bei Krankheit muss der Beschäftigte sich voll und ganz seiner Genesung widmen. Wenn er dadurch Anrufe auf seinem Diensthandy nicht beantwortet und auch E-Mails ungelesen bleiben, rechtfertigt dies keine Kündigung.

Bleiben die Anrufe allerdings bei einem betrieblichen Notfall unbeantwortet, obwohl Sie eine Erreichbarkeit vereinbart haben, kann dies eine Abmahnung rechtfertigen. Bei wiederholtem Fehlverhalten können Sie dann eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Hier sollten Sie allerdings im Zweifelsfall einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen, denn nicht jeder Notfall muss als Abmahnungsgrund vom Arbeitnehmer akzeptiert werden. Es kommt dabei immer auf den Einzelfall an.

7. Fazit zum Thema “Erreichbarkeit im Urlaub, Feierabend und bei Krankheit”

Außerhalb der regulären Arbeitszeiten dürfen Sie Arbeitnehmer nur im Notfall kontaktieren. Ein Notfall liegt vor, wenn im Betrieb kein anderer Mitarbeiter die Aufgaben lösen kann oder wenn die Existenz des Betriebs gefährdet ist. Im Falle eines Urlaubs hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erholung und muss daher nicht erreichbar sein.

Gleiches gilt für den Feierabend der Kollegen. Innerhalb der gesetzlichen Ruhezeit von elf Stunden hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freizeit und muss sich nicht mit betrieblichen Aufgaben beschäftigen. Ein Diensthandy kann daher ausgeschaltet werden. Ist der Mitarbeiter krank, muss er ebenfalls nicht erreichbar sein.

Anders verhält sich dies allerdings bei der Rufbereitschaft und im Bereitschaftsdienst. Hier muss Ihr Mitarbeiter ständig erreichbar sein und im Fall der Fälle Aufgaben in der Firma übernehmen.

 

Caroline Schmidt
Caroline Schmidt, B.A.
Legal Writerin & SEO-Redakteurin

Caroline Schmidt hat Medienbildung studiert und ein einjähriges Volontariat in der Online-Redaktion eines Berliner Legal-Tech-Unternehmens absolviert. Sie ist seit über vier Jahren als Legal Writerin tätig und hat in verschiedenen Rechtsbereichen, darunter dem Arbeitsrecht, Schreiberfahrungen gesammelt. Seit 2022 ist sie als Legal Writerin und SEO-Redakteurin Teil des eRecht24-Redaktionsteams.

Rechtsanwalt Sören Siebert
Sören Siebert
Rechtsanwalt und Gründer von eRecht24

Rechtsanwalt Sören Siebert ist Gründer von eRecht24 und Inhaber der Kanzlei Siebert Lexow. Mit 20 Jahren Erfahrung im Internetrecht, Datenschutz und ECommerce sowie mit mehr als 10.000 veröffentlichten Beiträgen und Artikeln weist Rechtsanwalt Sören Siebert nicht nur hervorragende Fach-Expertise vor, sondern hat auch das richtige Gespür für seine Leser, Mandanten, Kunden und Partner, wenn es um rechtssichere Lösungen im Online-Marketing und B2B / B2C Dienstleistungen sowie Online-Shops geht. Neben den zahlreichen Beiträgen auf eRecht24.de hat Sören Siebert u.a. auch diverse Ebooks und Ratgeber zum Thema Internetrecht publiziert und weiß ganz genau, worauf es Unternehmern, Agenturen und Webdesignern im täglichen Business mit Kunden ankommt: Komplexe rechtliche Vorgaben leicht verständlich und mit praktischer Handlungsanleitung für rechtssichere Webseiten umsetzen.

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