Worum geht's?
Der Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V. (kurz „IDO-Verband“) hat in den letzten Jahren aufgrund seiner enormen Zahl an Abmahnungen eine zweifelhafte Berühmtheit erlangt. Mehr als einmal befassten sich Gerichte mit der Frage, ob der Verband überhaupt abmahnen darf. Seit einer Änderung des Wettbewerbgesetzes können Shopbetreiber und Händler aufatmen: Zum aktuellen Zeitpunkt ist der IDO-Verband nicht mehr befugt, Abmahnungen auszusprechen und Vertragsstrafen zu fordern.
1. Wer verbirgt sich hinter dem IDO-Verband?
Der IDO-Verband (Interessenverband für das Rechts- und Finanzconsulting deutscher Online-Unternehmen e.V.) ist ein Verband, dessen Zweck „die umfassende Förderung insbesondere der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler“ ist. Die aktuell ca. 2750 unmittelbaren Mitglieder des IDO-Verbandes setzen sich aus Unternehmen verschiedener Branchen zusammen.
Unter Online-Händlern und Shopbetreibern ist der IDO-Interessenverband aber vor allem bekannt für seine wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen, die in der Vergangenheit geradezu massenweise ausgesprochen wurden. Laut einer Trusted-Shop-Befragung ließ sich 2020 knapp ein Viertel aller Abmahnungen auf den IDO-Verband zurückführen.
Zu den häufigsten Abmahngründen des IDO-Verbands gehörten Fehler und Unstimmigkeiten bei den Informationspflichten für Onlineshops, z. B. hinsichtlich:
- Angabe des Grundpreises
- Datenschutzerklärung
- Streitbeilegung (Hinweis und Link auf die OS-Plattform)
- Lieferzeiten (unbestimmte Angaben wie “voraussichtlich”)
- Widerrufsbelehrung
- Garantien-Werbung
- Altersbeschränkung
- Speicherung des Vertragstextes
In den Abmahnungen forderte der “Abmahnverein IDO” von den betroffenen Unternehmen die Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung, die bei einer Wiederholung des Wettbewerbsverstoßes mit einer hohen Vertragsstrafe belegt war.
Doch darf ein Verband wie der IDO-Verband überhaupt andere Unternehmen abmahnen? Dieser Punkt beschäftigte in der Vergangenheit mehr als einmal die deutschen Gerichte. Wiederholt stand dabei der Vorwurf von Abmahnmissbrauch im Raum.
2. Wann darf ein Verband abmahnen?
In Deutschland gibt es keine staatliche Behörde, die gegen Wettbewerbsverstöße vorgeht. Stattdessen werden Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht durch betroffene Mitbewerber, Industrie- und Handelskammern oder von bestimmten rechtsfähigen Verbänden verfolgt. Einfach so abmahnen, dürfen diese Verbände aber nicht.
Damit ein Verband eine Abmahnung aussprechen darf, müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Diese werden auch als sogenannte Aktivlegitimation bezeichnet.
Laut dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) liegt eine Aktivlegitimation nur dann vor, wenn es sich zum einen um einen rechtsfähigen Verband zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen handelt. Zum anderen muss der Verband in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen sein.
AUFGEPASST
Die Bedingung, dass Verbände nur abmahnen dürfen, wenn sie in die Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sind, besteht erst seit der Änderung des UWG im Dezember 2021.
Vorher – und das ist wichtig, wenn man sich die früheren Abmahnungen ansieht – reichte es in der alten Fassung des § 8 UWG aus, wenn
- dem Verband eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die ähnliche Waren oder Dienstleistungen wie der Abgemahnte auf demselben Markt vertreiben.
- der Verband nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen.
Liegt eine der genannten Voraussetzungen nicht vor, ist der Verband nicht berechtigt, Abmahnungen auszusprechen. Im Streitfall muss der entsprechende Verband nachweisen, dass er den Anforderungen entspricht. Und das war beim IDO-Verband mehr als einmal Ausgangspunkt gerichtlicher Auseinandersetzungen.
Eben diese Anforderungen haben sich aber durch das neue UWG ab Dezember 2021 geändert: Seitdem ist die Eintragung in die Verbandsliste eine zwingende Voraussetzung dafür, dass ein Verband abmahnen darf. Die Liste der qualifizierten Abmahnverbände gab es in der vor Dezember 2021 geltenden Fassung des UWG noch nicht.
GUT ZU WISSEN
Für Abmahnungen, die der IDO-Verband gegen Online-Händler vor dem 01.12.2021 ausgesprochen hat, gilt noch die alte Fassung des Wettbewerbsgesetzes.
3. Streit um die Abmahnbefugnis des IDO-Verbandes
Immer wieder mussten sich Gerichte in den vergangenen Jahren mit der Frage befassen, ob der IDO-Verband überhaupt berechtigt ist, Abmahnungen gegen andere Online-Unternehmer auszusprechen.
Strittig war unter anderem, ob der Verband nach der alten Fassung des UWG überhaupt “nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen”.
LG Berlin: Ja, IDO-Verband darf abmahnen
Das Landgericht Berlin hatte die Aktivlegitimation des IDO-Verbandes im Januar 2017 bejaht (Az. 91 O 146/16). In zwei anderen Verfahren aus demselben Jahr bekräftigte das LG Berlin seine Entscheidung und attestierte dem Verband eine ausreichende personelle Ausstattung (Az. 97 O 94/16 und Az. 103 O 34/17).
Trotz einer gegenteiligen Entscheidung vom April 2017 erhielt der IDO-Verband von den Richtern des LG Berlin in den überwiegenden Entscheidungen die Legitimation, andere Unternehmer und Online-Händler bei wettbewerbsrechtlichen Verstößen abzumahnen.
BGH legitimiert IDO-Verband
Strittig war in der Vergangenheit auch die Frage, ob genügend Mitglieder in dem Verband sind, die der gleichen Branche angehören wie das abgemahnte Unternehmen – denn auch dieses Kriterium gehört zu den Voraussetzungen einer Aktivlegitimation.
Auslöser für einen daraus folgenden, jahrelangen Rechtsstreit war eine Abmahnung gegen eine Tierfutterfirma aus dem März 2019. Die hatte in den Google Shopping Suchergebnissen den Grundpreis für Katzenfutter nicht angegeben, weshalb der IDO-Verband das Unternehmen abmahnte. Die IDO-Abmahnung wollte der Tierfutterhändler nicht akzeptieren, sodass die Sache vor Gericht landete.
Nach einem mehrfachen rechtlichen Ping-Pong-Spiel zwischen verschiedenen Gerichten sprach der Bundesgerichtshof im Januar 2023 ein Machtwort: Ja, der IDO-Verband ist befugt, Abmahnungen auszusprechen und bei Nichterfüllung der geltend gemachten Unterlassungsansprüche Klage gegen das abgemahnte Unternehmen einzureichen (Az. I ZR 111/22).
PRAXIS-TIPP
Abmahnungen des IDO-Verbands vor dem 30.11.2021 (als noch die alte Fassung des UWG galt) können zulässig sein. Aber auch bei der Gerichtsentscheidung des BGH handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Lassen Sie daher jede IDO-Abmahnung anwaltlich prüfen, bevor Sie weitere Schritte unternehmen.
Anders steht der Wind bei Abmahnungen, die Online-Händler seit dem 01.12.2021 erhalten haben – denn seitdem gilt eine neue Fassung des UWG und damit auch neue Voraussetzungen für die Abmahnbefugnis von Wirtschaftsverbänden.
4. Darf der IDO-Verband nun abmahnen oder nicht?
Mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dürfen Verbände nur noch dann abmahnen, wenn sie in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen sind. Die Liste wird vom Bundesamt für Justiz verwaltet.
Die gute Nachricht für alle Online-Händler und Shopbetreiber: Bislang hat es der IDO-Verband nicht in diese Liste geschafft (Stand Dezember 2023). Das bedeutet, dass ihm nach der neuen UWG-Fassung die Befugnis zum Abmahnen fehlt.
{/siebert}
Zum derzeitigen Zeitpunkt müssen Sie als E-Commerce-Unternehmer, Shopbetreiber oder Online-Händler nicht damit rechnen, dass der IDO-Verband Sie abmahnt – er hat dazu keine Befugnis.
{/siebert}
In einem Urteil aus dem Dezember 2021 kam das Landgericht Hamburg zu dem Schluss, dass selbst Abmahnungen, die der Verband ausgesprochen hat, als er noch dazu befugt war, rechtsmissbräuchlich waren (Az. 406 HKO 87/21). Abgemahnten Online-Händlern gibt das die Möglichkeit, die Unterlassungserklärung zu kündigen.
5. Abmahnung erhalten? Das sollten Sie jetzt tun
Nicht nur der IDO-Abmahnverein ist Online-Händlern im Zusammenhang mit Abmahnungen bekannt. Ob Abmahnung wegen fehlerhaftem Impressum, aufgrund falscher Preise, die gegen die Preisangabenverordnung verstoßen oder einer unvollständigen Widerrufsbelehrung ohne Widerrufsformular – die Liste an Abmahngründen ist lang.
Was auch immer der Grund für die Abmahnung ist und wer auch immer der Absender ist: Handeln Sie nicht vorschnell. Unterschreiben Sie nicht impulsiv die beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung, denn die ist in der Regel mit einer hohen Vertragsstrafe belegt.
VORSICHT
Grundsätzlich sind Sie mit der Unterschrift an die Unterlassungserklärung, und zwar auch dann, wenn die eigentliche Abmahnung im Nachhinein unberechtigt ist.
Sie wollen es erst gar nicht soweit kommen lassen? Dann ergreifen Sie jetzt die notwendigen Schritte für Ihr rechtssicheres E-Commerce-Business. Ob eine speziell auf Webshops zugeschnittene Widerrufsbelehrung, anwaltlich geprüfte Generatoren für AGB, Impressum und Datenschutzerklärung oder der Zugriff auf das DSGVO-konforme Cookie Consent Tool von Usercentrics: Mit dem eRecht24 Premium Paket für Online-Shops schützen Sie Ihr Business umfangreich vor Abmahnungen.
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