Worum geht's?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet es Arbeitgebern, ihre Angestellten unter anderem wegen des Geschlechts, der Nationalität oder des Alters zu benachteiligen. Auch im Bewerbungsprozess ist Diskriminierung verboten. Um hier möglichst sensibel vorzugehen, stellen wir Ihnen in diesem Artikel sieben Tipps für ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren zur Verfügung.
1. Wann handelt es sich um Diskriminierung im Bewerbungsverfahren?
Bei einer Diskriminierung handelt es sich um die Herabwürdigung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen aufgrund von
- ethnischer Herkunft,
- Geschlecht,
- Alter,
- sexueller Identität,
- Religion oder Weltanschauung,
- rassistischen Gründen oder
- einer Behinderung.
Diskriminierung kann sich auf verschiedenste Art und Weise bemerkbar machen und ist besonders im Arbeitsleben immer wieder präsent. Um Diskriminierung im Bewerbungsverfahren kann es sich bereits handeln, wenn die Stellenausschreibung ausschließlich auf Männer ausgerichtet ist.
WUSSTEN SIE’S SCHON?
Die Diskriminierung von Frauen bei der Bewerbung ist keine Seltenheit. Oftmals werden sie wegen ihres Geschlechts beim Bewerbungsverfahren und der Vergütung benachteiligt. Laut einer Studie des Statistischen Bundesamts liegt das Gender Pay Gap 2023 zum vierten Jahr in Folge bei 18 Prozent. Frauen verdienen im Schnitt 4,46 Euro weniger als Männer.
Aber auch Menschen mit ausländisch klingenden Namen, einer körperlichen Einschränkung oder einem Alter ab 50 Jahren haben es bei der Bewerbung oft nicht leicht. Sie werden oftmals im Rahmen des Bewerbungsprozesses aussortiert und haben gar keine Möglichkeit, sich bei einem Vorstellungsgespräch zu beweisen. Dabei kann gerade diese Vielfalt für Arbeitgeber eine große Chance sein.
2. Was sagt das Gesetz zur Diskriminierung am Arbeitsplatz und bei der Bewerbung?
Diskriminierung bei der Stellenausschreibung oder im Bewerbungsprozess ist rechtlich nicht erlaubt. Hier greift das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Es schützt Arbeitnehmer bereits im Bewerbungsverfahren, im laufenden Arbeitsverhältnis und bis hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (z. B. Kündigung oder Ende eines befristeten Vertrags).
Laut dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz dürfen Sie als Arbeitgeber keine Bewerbenden aufgrund der oben genannten Gründe ablehnen. Das AGG gilt für
- Bewerbende,
- Arbeitnehmende,
- Auszubildende,
- Praktikanten und
- Beamtete.
AUFGEPASST
Oftmals bleibt Diskriminierung aber auch unentdeckt. Denn ob beispielsweise durch das Bewerbungsfoto eine Diskriminierung stattfindet, erfährt der Bewerber meistens gar nicht. Er erhält eine Standardabsage, ohne dass die Diskriminierungen überhaupt ans Licht kommen. Im Falle einer Absage steht der Bewerber in der Beweispflicht. Er muss nachweisen können, dass eine Diskriminierung zur Absage geführt hat.
Damit Bewerber allerdings nicht direkt im Bewerbungsverfahren abgelehnt werden, können Bewerbende eine anonyme Bewerbung schreiben. Hier werden Alter, Geschlecht und Herkunft nicht genannt. Auch das Bewerbungsfoto kann weggelassen werden.
In vielen Ländern ist dies bereits gang und gäbe und kann in der Praxis tatsächlich häufiger zu Einladungen zu Bewerbungsgesprächen führen. Als Arbeitgeber können Sie direkt in der Stellenausschreibung darauf hinweisen, dass anonyme Bewerbungen willkommen sind.
In bestimmten Fällen kann eine Ungleichbehandlung beim Einstellungsverfahren allerdings auch gerechtfertigt sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Muttersprachler für einen Dolmetscher-Job gesucht wird und der Bewerber kein Muttersprachler ist. Gleiches gilt für Stellenanzeigen, in denen beispielsweise eine Lehrerin für eine Mädchenschule gesucht wird. Hier sollte immer eine Einzelfallbetrachtung stattfinden.
3. Muss ich als Arbeitgeber eine Absage begründen?
Nein. Es reicht aus, wenn Sie dem Bewerber mitteilen, dass Sie sich für eine andere Person entschieden haben. Der EuGH hat in einem Urteil vom 21.07.2011 (Az. C 104/10) entschieden, dass Bewerber auch kein Recht darauf haben, zu erfahren, welche Qualifikationen ihre Mitbewerber haben.
ABER ACHTUNG
Das Sozialgesetzbuch regelt in § 164 Abs. 1 SGB IX auch eine mögliche Diskriminierung schwerbehinderter Bewerber. Gibt es in Ihrem Unternehmen eine Schwerbehindertenvertretung, muss diese bei der Bewerbung Schwerbehinderter miteinbezogen werden. Ist die Schwerbehindertenvertretung mit der Absage des Arbeitgebers nicht einverstanden, müssen die Gründe besprochen werden.
Hier muss auch der Bewerber angehört und anschließend schriftlich über die Entscheidung und die Gründe informiert werden. Dies gilt allerdings nur, sofern Sie als Unternehmen die Beschäftigungsquote für schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht erfüllen.
4. Faire Chancen bei der Bewerbung und im Vorstellungsgespräch: Das sollten Arbeitgeber beachten
Faire Chancen im Bewerbungsprozess können sich vor allem für Arbeitgeber lohnen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels lohnt es sich, über den Tellerrand hinauszuschauen. Denn bei der Bewerbung sollte das Alter von Bewerbenden keine ausschlaggebende Rolle spielen.
Ältere Beschäftigte verfügen beispielsweise häufig über umfassende Berufserfahrung, die zu einer effizienten und hochwertigen Arbeitsweise beitragen kann. Außerdem kann die Expertise des erfahrenen Mitarbeiters dazu führen, dass bestimmte Skills an andere Mitarbeiter vermittelt werden. Hier profitieren Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen.
Die Diversität im Unternehmen kann neben Erfahrung auch eine Vielfalt an Ideen mit sich bringen. Davon profitiert auch das Betriebsklima und das Ansehen auf dem Arbeitsmarkt. Geben Sie Diskriminierung beim Bewerbungsverfahren keine Chance und setzen Sie auf eine vielfältige und altersgemischte Belegschaft.
5. 7 Tipps für Arbeitgeber, um Diskriminierung zu vermeiden
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat einen Leitfaden für diskriminierungsfreie Einstellungsverfahren entworfen. Wir haben für Arbeitgeber das Wichtigste zusammengefasst.
- Tipp 1: Stellenanzeigen
Die in § 1 AGG genannten Merkmale dürfen die Stellenvergabe nicht beeinflussen. Daher muss die Stellenausschreibung möglichst neutral formuliert werden. Von Formulierungen wie “ausschließlich männliche Deutsche”, “Geschäftsführer gesucht” oder “junge Mitarbeiter gesucht” sollten Sie absehen. Für neutrale Bezeichnungen von Geschlechtern kann sich das Gendersternchen in der Jobbezeichnung (z. B. Lehrer*innen) oder auch der Zusatz (m / w / d) eignen. Auch Formulierungen, die den Gesundheitszustand betreffen, sollten Sie vermeiden (bspw. "Wir suchen fitte Reinigungskräfte”).
- Tipp 2: Machen Sie in der Stellenanzeige bestenfalls direkt deutlich, dass Ihnen Diversität im Unternehmen wichtig ist.
- Tipp 3: Rufen Sie die Bewerber dazu auf, anonyme Bewerbungen einzureichen.
- Tipp 4: Standardisierung des Bewertungsverfahrens:
Entwickeln Sie eine Standardisierung für Bewertungskriterien und Verfahrensprinzipien. Die Anforderungen sollten dabei konkret, transparent und nachvollziehbar sein. Computergestützte Bewertungsinstrumente unterstützen die Verringerung von Diskriminierungsrisiken.
- Tipp 5: Die Auswahl der Bewerber nicht allein, sondern mit anderen Personen aus dem Unternehmen treffen.
- Tipp 6: Vorstellungsgespräch:
Die gestellten Fragen dürfen sich weder direkt noch indirekt auf ein Merkmal des AGG beziehen. Fragen wie “Planen Sie in Zukunft eine Familie zu gründen?” oder “Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?” sind tabu. Entwickeln Sie im Vorfeld einen immer gleichen Fragenkatalog, welcher sich auf die Fähigkeiten und Qualifikationen der Bewerbenden fokussiert.
- Tipp 7: Schulungen von Personal, welches Vorstellungsgespräche führt.
6. Konsequenzen für Diskriminierung beim Bewerbungsprozess
Gehen Jobsuchende davon aus, dass eine Diskriminierung oder Altersdiskriminierung bei der Bewerbung vorlag, müssen sie dies beweisen können. Dies kann beispielsweise anhand der Stellenausschreibung passieren, wenn dort eine bestimmte Zielgruppe angesprochen ist und beispielsweise Männer komplett von der Bewerbung ausgeschlossen werden. Auch falsche, wechselnde oder widersprüchliche Gründe für die Absage können auf eine Diskriminierung hindeuten.
INTERESSANT
Bei einer Diskriminierung im Bewerbungsverfahren haben Bewerbende nur zwei Monate ab Erhalt der Absage Zeit, dagegen vorzugehen. Gehen Sie als Arbeitgeber dann nicht auf die Vorwürfe ein, kann der Bewerber gerichtlich dagegen vorgehen. Hierfür haben die Bewerbenden drei Monate ab der schriftlichen Geltendmachung Zeit.
Kann der Jobsuchende nachweisen, dass eine Diskriminierung vorliegt, müssen Sie als Arbeitgeber eine Entschädigung von bis zu drei Monatsgehältern zahlen. Liegen zusätzliche psychische Folgen vor, kann der Bewerber unter Umständen Rechte auf Schmerzensgeld geltend machen.
7. Fazit zur Diskriminierung bei Bewerbungen
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verpflichtet Arbeitgeber bei der Vergabe von Stellen grundsätzlich dazu, sämtliche Bewerber zu berücksichtigen. Eine Ungleichbehandlung ist dabei nur in seltenen Ausnahmefällen gerechtfertigt.
Arbeitnehmer, die Diskriminierung im Bewerbungsprozess erfahren haben, können dagegen vorgehen. Können Sie Indizien vorlegen, die die Diskriminierungen beweisen, müssen Arbeitgeber Ihnen eine Entschädigung von bis zu drei Monatsgehältern zahlen.
Grundsätzlich sollten Arbeitgeber darauf achten, Stellenanzeigen so neutral wie möglich zu formulieren. Diversität im Unternehmen ist kein Hindernis, sondern eine Chance. Daher kann in der Stellenanzeige auch direkt darauf hingewiesen werden, dass sich Menschen verschiedener Altersgruppen, Geschlechter und Nationalitäten bewerben und dass auch Menschen mit einer Behinderung herzlich willkommen sind.
Achten Sie darauf, dass Sie das Bewerbungsverfahren standardisieren, um die Bewerber anhand ihrer Qualifikationen bewerten zu können. Vermeiden Sie persönliche Fragen beim Recruiting und konzentrieren Sie sich voll und ganz auf die Fähigkeiten und Berufserfahrung der Bewerber.