Familiennname führt zu einschlägiger Berichterstattung
Zweimal hatte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ den spektakulären Fall in den Achtziger Jahren aufgegriffen. An Bord der Yacht „Apollonia“ waren 1981 auf hoher See zwei Menschen erschossen worden. Den Täter verurteilte ein Gericht später zu lebenslanger Haft. Die Original-Printausgaben von damals lassen sich heute nur noch schwer auftreiben. Seit 1999 allerdings sind die Artikel im Internet-Archiv des „Spiegel“ abrufbar, kostenlos und barrierefrei. 2009 bemerkte das auch der Täter, der bereits 2002 aus der Haft entlassen worden war. Beim Googeln seines eigenen Namens fand er die beiden „Spiegel“-Artikel auf den ersten Plätzen der Ergebnisliste.
Persönlichkeitsrecht oder öffentliches Interesse?
Vor Gericht wollte der Mann unterbinden, dass der „Spiegel“ online bis heute über das jahrzehntealte Verbrechen berichtet und dabei seinen Familiennamen nennt. Doch der BGH (Az. VI ZR 330/11) wies die Klage ab. Im konkreten Fall wiege das Interesse der Öffentlichkeit schwerer als die Persönlichkeitsrechte des Täters. Dem Kläger blieb nur der Gang vor das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 16/13). Hier schilderte er, dass die Berichterstattung seine Bemühungen um einen Neubeginn beeinträchtige: Wenn aktuelle Bekanntschaften seinen Namen googelten, würden sie sofort mit der Vergangenheit konfrontiert. Zur damaligen Zeit sei der Prozess zwar von zeitgeschichtlichem Interesse gewesen, so der Mann. Inzwischen aber bestehe keine Notwendigkeit mehr für die Nennung seines Familiennamens.
Richter unterstützen „Neubeginn in Freiheit“
Das BVG hatte zwei Grundrechte gegeneinander abzuwägen: die Presse- und Meinungsfreiheit einerseits und die freie Entfaltung der Persönlichkeit andererseits. Letztere beinhaltet nach Ansicht des Gerichts auch, dass man Fehler hinter sich lassen kann. Dabei betonten die Richter die Veränderungen des digitalen Zeitalters. Online-Archive spielten heute eine wichtige Rolle bei Bildung, Erziehung und öffentlicher Debatte. Sie machten aber auch Informationen abrufbar, die andernfalls bereits in Vergessenheit geraten wären. Nach Ansicht der Richter muss die Rechtsordnung einzelne Personen davor schützen, immer wieder mit früheren Handlungen konfrontiert zu werden. Andernfalls sei ein Neubeginn in Freiheit nicht möglich.
Fazit
Ob ein Straftäter vom „Recht auf Vergessenwerden“ Gebrauch machen darf, ist laut BVG im Einzelfall zu entscheiden. Berücksichtigt werden müssen die Art der Berichterstattung und ihre Folgen für den Täter, aber auch die Auffindbarkeit im Netz. Der konkrete Fall geht jetzt zurück an den BGH. Der soll prüfen, ob die Artikel in der aktuellen Form im „Spiegel“-Archiv bleiben können – mit einer wichtigen Änderung: Sie dürfen bei der Suche nach dem Familiennamen des Verurteilten nicht mehr angezeigt werden.
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