Anlass: Der Anschlag von Wien
Nicht nur in Europa wird schon seit Jahren über ein Verbot der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung diskutiert. Befürworter sind vor allem die Mitglieder der sogenannten „Five-Star-Alliance“: Großbritannien, USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Aus ihren Reihen wurden die großen Tech-Konzerne bereits mehrfach aufgefordert, „Hintertüren“ für Strafverfolger in die Dienste einzubauen. Nach dem Terroranschlag in Wien sehen die EU-Minister nun offenbar eine neue Gelegenheit, das Thema „Verschlüsselungsverbot“ anzugehen. Dabei hätte die Tat des polizeibekannten Islamisten nach bisherigen Informationen auch ohne Einblick in seine Chat-Verläufe verhindert werden können.
Ungewohntes Tempo
Trotzdem sieht der Europäische Rat vor, dass Änderungswünsche bis spätestens Ende der Woche vorgelegt werden. Nach Angaben des ORF könnte das Papier dann bereits Anfang Dezember per Videokonferenz von den Innen- und Justizministern verabschiedet werden – ohne weitere Diskussion. Damit erginge formell der Auftrag an die EU-Kommission, einen Entwurf für eine Verordnung zum Verschlüsselungsverbot zu erstellen. Ob sich für eine solche Vorlage auch im EU-Parlament eine Mehrheit finden ließe, ist allerdings fraglich.
Besonderer Zugang
Wie die Überwachung technisch erfolgen soll, ist in dem Entwurf bereits ausgeführt. Demnach haben sich die EU-Minister für die sogenannte „Exceptional Access“-Methode entschieden. Dabei hinterlegen die Messenger-Dienste digitale „Generalschlüssel“, mit denen sich die Kommunikation der Gesprächspartner dechiffrieren lässt. Auf diese Schlüssel sollen laut der Vorlage nicht nur Polizei und Justiz zugreifen können, sondern grundsätzlich sogenannte „competent authorities“. Zu diesen „zuständige Behörden“ dürften in jedem Fall auch die Geheimdienste gezählt werden.
Fazit
Die EU unterstütze nach wie vor eine starke Verschlüsselung, heißt es in dem Papier. Die Grundrechte der Verbraucher müssten geschützt werden. Allerdings seien im Kampf gegen Terrorismus, Kindesmissbrauch und organisiertes Verbrechen die Strafverfolger auf eine „Hintertür“ zu verschlüsselten Messengern angewiesen. Zahlreiche Politiker und Datenschützer sehen das anders. Die faktische Aufhebung der Verschlüsselung biete keine zusätzliche Sicherheit, unterwandere aber die Grundrechte.
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